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Gleich zu Beginn unserer Auslese begegnen
wir einer faszinierenden Persönlichkeit, dem amerikanischen
Problemkomponisten, Autor und Sammler Alain Campbell
White (*3.03.1880 Cannes †23.04.1951 Summerville,
SC, USA). Ansässig in Litchfield (Connecticut), war
seine lebenslange Leidenschaft für das Problemschach
schon früh durch seinen Vater John Jay W. geweckt
worden. Eine Freundschaft verband ihn bereits in jungen
Jahren mit dem berühmten Sam Loyd - er wurde zu seinem
Idol und Mentor; später schrieb er über Loyd:
"He was the first real composer I knew; he remains
the greatest I have ever known, for the simple reason
that his peer in skill of construction and wealth of imagination
does not exist." |
Die größte Leistung von White war zweifellos der
Aufbau einer monumentalen Problemsammlung, die im Jahre 1908
ihren Anfang nahm. Bereits in den Jahren zuvor waren die Voraussetzungen
gelegt worden: durch seine kontinuierlich anwachsende internationale
Korrespondenz mit Problemexperten hatte er sich ein Netzwerk
geschaffen, das entscheidend zum Erfolg der Sammlung beitragen
sollte. Seine Freunde und „Mitarbeiter“, zeitweilig
nahezu 1000 an der Zahl, recherchierten und sammelten für
ihn; White aber sammelte nicht nur, sondern führte eine
systematische Klassifizierung der Probleme (überwiegend
Zweizüger) nach deren thematischen Gehalt durch. Erst
dies war für den Wert der Sammlung entscheidend, konnten
doch Lücken bei den Themen erkannt und hierdurch zahlreiche
Neuentwicklungen angeregt werden, zudem wurde das Aufspüren
von Vorgängern bei Problemturnieren ermöglicht.
Diese Sammlung stellt auch weitgehend die Quelle dar, aus
der sich die berühmte Christmas-Serie
speiste: zwischen 1905 und 1936 gab White insgesamt 44 Bücher
heraus, die er auf eigene Kosten herstellen ließ (A.C.W.
war recht begütert) und jeweils zu Weihnachten an seine
Problemfreunde in aller Welt verschickte – dies konsolidierte
seinen Ruf als größter Förderer des Problemschachs
und bescherte ihm den Beinamen „Weihnachtsmann der Problemisten“.
Kurz erwähnt werden soll hier eine weitere Serie von
8 exquisiten Problembüchern, die A. C. White zusammen
mit Frank Altschul (1887-1981) zwischen 1941 und 1945 in "The
Overbrook Press" (Stamford, Connecticut) in limitierter
Auflage herausgab (eine vollständige Liste findet sich
im Quellenverzeichnis).
Bemerkenswert die aufwendige Herstellung - so wurden z. B.
die Buchseiten nach dem Druck einzeln befeuchtet, um dem Papier
den Glanz zu nehmen!
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YULE
TIDE IDYLL, 1916.
Designed by the late Good Companion Dr. L. A. LeMieux,
whose problem No. 22C is on the board. The four coons
represent (left to right) Frank Janet, Dr. L. A. LeMieux,
A. C. White and Murray Marble. |
Einen bedeutenden Entwicklungsschub erfuhr die White-Sammlung
in der Ära des Good Companion Chess Problem Club;
dieser 1913 durch James Francis Magee, Jr. (1867-1955) gegründete
"Club" erlangte Berühmtheit durch seine regelmäßig
organisierten Kompositionsturniere und die Förderung
neuer Problem-Ideen: in den 11 Jahren seiner Existenz hat
er unter der führenden Mitarbeit von A.C.W. eine Blütezeit
des Zweizügers ausgelöst und eine Vielzahl unvergänglicher
Meisterwerke hervorgebracht. In den 20er Jahren stieg die
Mitgliederzahl weltweit auf über 600, und die Vereinszeitschrift
Our Folder, die zehnmal pro Jahr erschien und sich
ausschließlich dem Problemschach widmete, ist heute
eine gesuchte Rarität.
A.C. White |
A.
C. White
Good Companion Meredith Turnier 1918
1. Preis
Matt in 2 Zügen
1.Tb4! (Zzw.) Dd4/Dd5/Dxd7/e5/L~ 2.Tb3/Lb5/Le4/Dh3/Dh7#
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Nach Auflösung des Klubs 1924 konnte White die Arbeit
an seiner Sammlung nur kurze Zeit weiterführen: die schwere
Erkrankung seiner Schwester May White [1], die ihn selbst
zeitlebens betreut hatte (White war Junggeselle) und um die
er sich nun kümmern musste, sowie ein eigenes Kehlkopfleiden
[2] zwangen ihn 1926, die Sammlung, die zu diesem Zeitpunkt
auf über 200.000 Probleme angewachsen war, in andere
Hände zu geben.
George Hume
(*16.12.1862
†14.01.1936) |
Der neue Kurator war der bekannte schottisch-englische
Problemkomponist George Hume, der etwa
20 Jahre lang die Christmas-Bände für White
herausgegeben und auch einzelne Werke (mit-)verfasst hatte.
Die komplette Sammlung wurde in sein Domizil ("The
Haven" - in einem ruhigen Außenbezirk von Nottingham
gelegen) verfrachtet; im Ruhestand befindlich pflegte,
ergänzte und verbesserte Hume die Sammlung mit einem
täglichen Arbeitsaufwand von 8 Stunden, sie ist daher
zu Recht als White-Hume Collection in
die Geschichte eingegangen. |
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Nach seinem Tode fand sich niemand, der die Sammlung von
nun über 250.000 Problemen adäquat weiterführen
konnte, so dass sie der British Chess Problem Society (BCPS)
zur Verfügung gestellt wurde; diese – in persona
C. S. Kipping – teilte sie anschließend unter
mehr als einem Dutzend Problem-Experten auf. In diesem Zusammenhang
interessant ist eine Passage aus der Einleitung zu Aljechins
Turnierbuch Nottingham 1936, denn zur Rahmenveranstaltung
dieses Turniers gehörte auch eine Ausstellung mit der
White-Hume-Sammlung - der entsprechende Abschnitt sei hier
zitiert:
"Es wurde eigens eine Ausstellung arrangiert, um einen
Teil der Zweizüger-Abteilung aus der Problemsammlung
von White-Hume zu zeigen, und der Verwalter Mr.
C.S. Kipping war während des gesamten Kongresses
anwesend. Folglich hatten sehr viele, die am Schachspiel besonders
die Problemkunst interessiert, ein Interesse am Treffen und
wurden in die Vielzahl der täglichen Besucher einbezogen.
Nicht zuletzt durch diesen Kongreß gewann Mr. Kipping
die ersten Mitarbeiter für sein Kuratorium. Es gibt jetzt
deren neun für verschiedene Gebiete der Zweizüger-Abteilung,
und bis jetzt gehören noch fünf weitere Sektionen
zur Hauptkollektion. Zusammen mit den Selbstmatts, Märchenschachaufgaben
usw. umfaßt die gesamte Sammlung ungefähr 300.000
Probleme, und Mr. Kipping erstrebt bereits eher eine Verdichtung
als eine Vergrößerung und hat noch etwa 40.000
strategische Dreizüger und 30.000 Zweizüger auf
Lager, wobei eine größere Anzahl weniger klar umrissener
Themen aus der eigentlichen Sammlung herausfällt. Die
White-Hume-Sammlung wurde 1906 von Mr. A.C. White
angelegt und 1926 von Mr. Hume übernommen; der
gegenwärtige Kurator, der die Sammlung seit etwa zwei
Jahren verwaltet, hat sich der schwierigen Aufgabe unterzogen,
sie in geeignete Abteilungen zu gliedern."[3]
Aber den meisten Kuratoren fehlte die Zeit, ihre Teile auf
dem neuesten Stand zu halten, und mit der Zeit verlor die
Sammlung ihren Wert, da auch die ursprünglichen Kategorien
A.C.W.'s mit der Entwicklung der Problemideen ihre Grenzen
erfuhren, bzw. diese überschritten wurden. Heute befinden
sich noch 18 Kästen der White-Hume-Sammlung (mit geschätzt
75.000 Problemen; Verhältnis Zwei- zu Dreizüger
grob 2:1) in der BCPS-Bibliothek, einige weitere Kästen
sind im Privatbesitz von BCPS-Mitgliedern.
[1] Die berühmte Widmung "To M.W.W."
in jedem Band der Christmas-Serie ist auf A.C.W.'s Schwester
Margaret (May) Whitlock White
(†1941) gemünzt [u.a. nach Chess Review
Oct. 1942, p. 198]. Meist wird sie nur kurz als "May
White" zitiert.
[2] Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit
musste White den Winter in Florida und den Sommer im Alleganny-Gebirge
verbringen.
[3] Eine ausführlichere Darstellung
von Kippings Bemühungen um die Zukunft der White-Sammlung
gibt Günter Büsing im "Kalenderblatt"
der Schwalbe, Okt. 2016, S. 590f.
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