Sammler
und Sammlungen
Teil II: Endspielstudien
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Kunstschach – eine Metasammlung
(Fortsetzung)
Im Bereich der Endspielstudie stellt sich die Situation insofern
günstiger dar, als die Gesamtzahl aller existierenden Studien
annähernd bekannt ist (sie sollte jetzt etwa 83.000 betragen),
und auch ihre elektronische Erfassung ist weit vorangeschritten.
Bei der Betrachtung der Studien-Sammlungen sollen diejenigen
in Buchform ausgeklammert werden, da es sich fast immer um Anthologien
handelt, die thematisch, zeitlich oder bezüglich des Komponisten
limitiert sind, demnach keine echten Sammlungen darstellen.
Auch Bücher über die Theorie des Endspiels bzw. Lehrbücher
(Berger; Chéron; Awerbach; Matanovic) oder Trainingsbücher
(à la Polgar) fallen nicht in diese Kategorie. Die wichtigsten
Sammler und Sammlungen sollen in der Folge kurz vorgestellt
werden.
Marcel Lamare (*14.01.1856 †24.11.1937)
war ein französischer Problemist, der die meisten seiner
Werke unter dem Pseudonym «Un Amateur de l’ex UAAR»
(Union amicale des Amateurs de la Régence) veröffentlichte.
Ab 1913 schrieb er zahlreiche theoretische Artikel für
La Stratégie und er veröffentlichte zwei
Broschüren, Le Mat par un cavalier (1917-18) und
Le Mat par fou et cavalier (1919). Die gesammelten
Artikel erschienen 1924 (überarbeitet und ergänzt)
unter dem Titel Traité des fins de partie d'échecs
(374 S., 782 Diagr.). Seine Studiensammlung hatte er auf
etwa 12.000 Karteikarten angelegt (ca. 1900-1935); sie befindet
sich heute in den Händen von Alain Pallier (Frankreich).
(*27.02.1910 Tiflis, Georgien
†27.12.1995 Jerewan, Armenien)
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Genrich Moisejewitsch
Kasparjan, ein begnadeter Studienkomponist und
für die meisten der größte seiner Zunft,
hat es auch im Partieschach zu Meisterehren gebracht (IM
1950; zwischen 1934 und 1956 wurde er zehnmal armenischer
Landesmeister!). Seit 1956 Internationaler Schiedsrichter
für Schachkompositionen, war er der erste, dem
von der FIDE der Titel Internationaler Meister für
Schachkompositionen zuerkannt wurde (nach Einführung
dieses Titels 1960), 1972 wurde ihm der höchste Titel
des Internationalen Großmeisters für Schachkompositionen
verliehen. Sechsmal gewann er die UdSSR-Meisterschaft
für Studienkomposition, und über 80 erste Preise
bei bedeutenden Turnieren zeugen von seiner unübertroffenen
Konstruktionskunst. |
1.Sg7! (1.h7? Te6+! 2.K~ Th6 =) 1...
Txh6 2.Tc5+ Kd4 3.Tc4+ Ke5 4.Txc7 Kf6
5.Se8+ Kf7 6.Tc8 Te6+! 7.Kd1!! (7.Kd2? Tg6! 8.Sc7!
Tc6! Zugzwang, Weiß kann nicht mehr gewinnen.) 7...
Tg6! (droht 8... Tg8) 8.Sc7! Tc6! 9.Kd2!!
(nun ist Schwarz in Zugzwang und verliert) 9...
Tc5 (9... e6 10.Sb5; 9... Kg6 10.Sd5) 10.Tf8+!
und gewinnt.
Kasparjan zählte diese Studie zu seinen besten Leistungen. |
G. M. Kasparjan
Kubbel-Gedenkturnier
1946
1. Preis
1. Platz in der Kompositions-
meisterschaft der UdSSR 1947
Gewinn |
Kasparjan hat der Schachwelt etliche eigene Bücher (die
meisten in Russisch) hinterlassen, sein Gesamtwerk über
insgesamt 545 Endspielstudien wurde von John Roycroft 1997 in
Buchform gegossen.
Zur Klassifizierung von Studien hatte Kasparjan ein eigenes
System entwickelt, das sich am Inhalt der Studien orientierte
und das er durchgängig anwendete. Seine Studiensammlung
umfasst 30.000 Studien auf Diagrammkarten, sie ging nach seinem
Tod auf seinen Sohn über. Dieser hat sie seinerzeit zum
Verkauf angeboten (zu einem extrem hohen Preis), es ist uns
nicht bekannt, ob sie inzwischen einen Käufer gefunden
hat.
Galereja Shakhmatnik Etjudistov
(Moskau 1968)
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Von dem russischen Komponisten
Filipp Semjonowitsch Bondarenko (IM
für Schachkomposition 1979) wissen wir, dass seine
Sammlung ca. 30.000 Studien umfasste, nach seinem Tod
wurde allerdings nur ein Teil dieser Sammlung aufgefunden
[nach EG Supplement 111, S. 361; Mai 1994].
Aktuellere Angaben zum Schicksal dieser Sammlung liegen
uns nicht vor. Bondarenko hat selbst etwa 500 Studien
und 800 Probleme verfasst und war Direktor der Studien-Abteilung
für das erste (nachträglich erschienene) FIDE-Album
1914-44.
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F.
S. Bondarenko
(*21.10.1905 †8.02.1993) |
J.
R. Harman
(*1905 †1986) |
Die berühmteste aller Studien-Sammlungen
auf Karteikarten ist die von John Richard Harman,
einem britischen Patentbeamten und Studien-Fan. Seine
Sammlung (Harman Index) von zuletzt über
40.000 Studien wurde häufig von Turnier-Richtern
zum schnellen Auffinden von Vorgängern zu Rate gezogen
– Harman konnte diesen jahrelangen Service nur deswegen
anbieten, weil er sämtliche Studien nach einem Prototyp
des GBR-Codes geordnet hatte. Die Sammlung ist in die
Hände des englischen Komponisten Brian David
Stephenson übergegangen, der sie weiter
gepflegt und ausgebaut hat. |
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